The Legacy of Nazi Medicine in Contemporary Mental Health Ethics

Institut für Ethik und Geschichte der Medizin

Förderung: Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur, Programm "Forschungskooperation Niedersachsen – Israel"

Laufzeit: 2022-2025

Bearbeitet von:

  • Prof. Dr. Silke Schicktanz, Göttingen, Deutschland
  • Prof. Dr. Nadav Davidovitch, Be'er Scheva, Israel
  • Dr. Rakefet Zalashik, Be'er Scheva, Israe
  • Karina Korecky, M.A., Göttingen, Deutschland

Zusammenfassung

Unser gemeinsames deutsch-israelisches Projekt erforscht den Einfluss, den das Erbe von nationalsozialistischer Medizin und Holocaust auf die Bioethik hatte.

Medizin und medizinische Forschung im Nationalsozialismus basierten auf Eugenik und Rassenhygiene, auf systematischer Diskriminierung, der Sterilisierung und Ermordung von behinderten Menschen sowie PatientInnen der Psychiatrie.

Moderne Bioethik und ‚mental health ethics‘ stellen Reflexionen und moralische Orientierung für AkteurInnen im Gesundheitswesen, für PatientInnen, und für Gesundheitspolitik, bereit. Bemerkenswerterweise wurde das Verhältnis von Bioethik und Erinnerung an Nationalsozialismus und Holocaust bisher nicht systematisch untersucht. Um diese Lücke zu schließen, werden wir prüfen, wie die Wahrnehmung der Nazi-Gräuel die Entstehung der Bioethik geprägt hat, indem wir die Debatten zur Ethik in der Psychiatrie in Deutschland und Israel zwischen 1990 und 2020 vergleichen. In beiden Ländern kumulierte die Institutionalisierung von Medizinethik seit 1990. Unsere Untersuchung fokussiert exemplarisch auf zwei Bündel von Forschungsfragen zur Ethik von Psychiatrie und psychischer Gesundheit:

  1. Welches Bild des Patienten bzw. der Patientin liegt der Psychiatrieethik zugrunde? Im Zentrum stehen dabei insbesondere die Konzepte der informierten Einwilligung und der Patientenautonomie. Welche formalen Regelungen, informellen Annahmen und geschichtlichen Bezüge gehen in dieses Bild ein?
  2. Welche ethischen Imperative leiten medizinische Forschung an Menschen mit eingeschränkter Einwilligungsfähigkeit oder mit schweren psychischen Störungen (siehe z.B. Demenzforschung und Placebo-kontrollierte, klinische Studien) – und wie sind diese durch kollektive Erinnerung einer traumatischen Vergangenheit beeinflusst?

Der Vergleich ethischer Debatten in Deutschland und Israel zielt auf ein detailliertes, fachlich reflektiertes Verstehen der historischen, sozialen und politischen Faktoren, die die Entwicklung des ethischen Diskurses im Bereich der psychischen Gesundheit beeinflussen. Dieser vergleichende Zugriff soll für ein tieferes Verständnis der kulturellen Einbettung bioethischen Denkens fruchtbar gemacht werden.

Über uns

Unser interdisziplinäres Team besteht aus ausgewiesenen ForscherInnen mit Schwerpunkten in Bioethik, Public Health, Geschichte und Soziologie. Silke Schicktanz (Göttingen), Nadav Davidovitch (Be’er Scheva) und Rakefet Zalashik (Be’er Scheva) arbeiten seit vielen Jahren zum Einfluss von Geschichte und Erinnerung auf gegenwärtige Bioethik. Seit 2017 haben sie mehrere Workshops zur Bioethik nach dem Holocaust in Israel und Europa organisiert. Zusammen mit Heiko Stoff haben sie die internationale Arbeitsgruppe „Bioethik und das Erbe des Holocausts“ gegründet. Seit 2022 wird das Team durch die Soziologin Karina Korecky ergänzt, die zu Psychiatrie und psychischer Gesundheit forscht. Die assoziierten WissenschafterInnen Limor Malul und Tobias Weidner tragen ihre Expertisen zu Fragen der Entwicklung medizinischer Forschung in Israel und zur Geschichte der Bioethik bei.

Wir wollen analytisch erfassen, wie der Blick auf medizinische Praktiken während des Holocausts die Entstehung von Bioethik und Psychiatrieethik beeinflusste. Dabei zielen wir darauf, das Verhältnis von Medizingeschichte, ethischen Debatten und gegenwärtiger Medizin zu reflektieren.

Publikationen

  • Schicktanz, S., Michl, S., Stoff, H. 2021: “Bioethics and the argumentative legacy of atrocities in medical history: Reflections on a complex relationship,” Bioethics, 3 Jan 2021 https://doi.org/10.1111/bioe.12841
  • Boas, H., Davidovitch, N., Filic, D., Zalashik, R., “From bioethics to biopolitics: ‘Playing the Nazi card’ in public health ethics—the case of Israel,” Bioethics, 28 May 2021 https://doi.org/10.1111/bioe.12883
  • Malul, L., Davidovitch, N., Almog, S., “The Impact of Past Events on the Development of Human Medical Experimentation in Israel,” Korot, The Israel Journal of the History of Medicine and Science, Vol. 25, 2019-2020, 77-100

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