Komplexe Konflikte – Bioethik im Film und in öffentlichen Diskursen
Filmreihe I
Eine Filmreihe in Göttingen initiiert vom Institut für Ethik und Geschichte der Medizin in Kooperation mit dem Kino Lumière
Laufzeit: 2012-2013
Bearbeitet von:
- Dr. Solveig Lena Hansen
- Dr. phil. Sabine Wöhlke
Zusammenfassung
Die Thematisierung von bioethischen Fragestellungen in Spielfilmen bietet eine spannende Auseinandersetzung mit den - oft ambivalenten - Folgen einer zunehmenden Technisierung unserer Lebenswelt. Auch wenn manche Geschichten als ‚unwahrscheinlich' angesehen werden, kann die Überzeichnung realer moralischer, gesellschaftlicher und rechtlicher Fragen dem kritischen Reflektieren von Biotechnologien dienen. Zentrale Themen dieser Spielfilme berühren nämlich stets real wichtige Konflikte wie Selbstbestimmung und soziale Kontrolle, Identitätsbestimmung und -wandel oder ärztliches Ethos und Missbrauch von Forschung. So können wir anhand der erzählten Geschichten beispielsweise fragen:
- Wie ist das Verhältnis von Ärztin/Arzt und Patient(in) zu bestimmen?
- Sind alle Entscheidungen, die Patient(innen) im Zusammenhang mit Therapien treffen, auch stets informierte und freiwillige Entscheidungen?
- Welche Rolle spielen Fragen der Identität, der Familienzugehörigkeit oder des Geschlechts bei medizinischen Entscheidungen?
- Gibt es universelle ethische Normen im Bereich der Medizin, oder sind diese stets auch in kulturellen und historischen Kontexten zu betrachten?
- (Wie) instrumentalisiert Forschung und Therapie Patient(innen) und ihre Körper?
- Welche Rolle spielt die Medizin als Forschung und Therapie für gesellschaftlich-soziale Vorstellungen vom Menschen und seinen Verbesserungsmöglichkeiten?
- Wessen Interessen werden bei ethischen und rechtlichen Entscheidungen im Bereich der Medizin (nicht) berücksichtigt?
In den ausgewählten Spielfilmen werden Themen wie Reproduktionsmedizin, Organtransplantation und Sterbehilfe sowie der Umgang mit Behinderung und Alter behandelt. Diese betreffen hier nicht nur die theoretische Wissenschaft, sondern beziehen sich immer auch auf die konkrete Lebensrealität von Menschen.
Die Filmreihe Komplexe Konflikte will bioethische Themen vor allem mit der interessierten Öffentlichkeit diskutieren. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Abteilung Ethik und Geschichte der Medizin haben hierfür Filme ausgewählt, die aktuelle Themen und Kontroversen aufgreifen.
Das jeweilige Rahmenprogramm reichte von Einführungsreferaten vor dem Film über Expertengespräche bis hin zu Podiumsdiskussionen nach dem Film
Publikationen
Wöhlke, S.; Wolff, E. (2016): Real Humans –Echte Menschen? Ein interdisziplinäres Gespräch über Roboter, Pflege und Film. Mabuse, 224, 41, S. 34-38
Hansen, S.L.; Wöhlke, S. (2016): Contrasting Medical Technology with Deprivation and Social Vulnerability. Lessons for the Ethical Debate on Cloning and Organ Transplantation through the Film Never Let Me Go (2010). Nanoethics 10, 3, 245–256.
Wöhlke, S., Hansen, S.L., Schicktanz, S.: Themenheft der Zeitschrift Ethik in der Medizin (1/2015): Bioethik im Film. Potentiale, Methoden, Anwendungsfelder. Hierin enthalten:
- Wöhlke, S.; Hansen, SL & Schicktanz, S. (2015): Nachdenken im Kinosessel? Bioethische Reflexion durch Filme als eine neue Möglichkeit der Diskussion von Standpunkten und Betroffenheit, S. 1-9.
- Hansen, S.L., Wöhlke, S. (2015): „Wir wissen es alle, nur sprechen wir es nie aus.“ Institutionalisierte Uninformiertheit als Bedingung von Vulnerabilität beim Klonen und Organspende in Never Let Me Go, S. 23-35.
- Schweda, M., Frebel, L. (2015): Wie ist es, dement zu sein? Epitemiologische Probleme und filmäthetische Lösungsperspektiven in der Demenzethik, S. 47-59.
- Mitra, S., Hnsen, S.L. (2015): Auf der anderen Seite der Kamera. Leihmutterschaft in Indien und das moralische Anliegen der Dokumentarfilmerin Surabhi Sharma. S., 69–80.
Solveig Lena Hansen; Sabine Wöhlke (2014): Movies, ready for an ethical debate? Die Göttinger Filmreihe “Komplexe Konflikte” als Diskurs über medizinethische Themen. In: Soziale Technik, 1, S. 5-7.